Vom Wandel des Bildlooks in der Tourismus-Werbung und warum wir die Mittagssonne meiden
Wenn du an die einprägsamsten Momente auf deinen Reisen denkst, was siehst du vor dir? Welche Minuten aus den Stunden und Tagen eines Urlaubs bleiben in Erinnerung?
Es sind die dramatischen Sonnenuntergänge am Meer, die Sonnenaufgänge auf wilden Berggipfeln. Das Wandern durch neblige Wälder und der Regenschauer in einem historischen Schlosshof. Kurz: die außergewöhnlichen Stimmungen, die weder von Dauer sind noch lange verweilen. Werfen wir einen Blick in Social Media – egal ob Instagram oder TikTok – so zeichnet sich auch hier ein Bild der Sehnsucht nach diesen flüchtigen Momenten.
Aber warum sehen wir dann immer noch rüstige Rentner in knallbunten Fahrradklamotten in der Mittagszeit bei strahlendem Sonnenschein in die Kamera lächeln und künstlich in die Ferne schauen? Wenn wir das Besondere erleben wollen, warum wird mit dem Gewöhnlichen geworben?
Wollen wir nicht Gäste und Abenteurer statt Touristen sein?
Der visuelle Status quo ist in stetigem Wandel und das ist auch gut so. Wichtig ist es für alle Tourismusdestinationen, Hotels und Werbetreibende, diesen Wandel aktiv mitzuerleben und mitzugestalten, um auch die jüngere Zielgruppe zu gewinnen, die von Reels und Storys geprägt ist.
Vor einigen Jahrzehnten war der Bildlook noch durch die technischen Limitierungen (die geringe Lichtempfindlichkeit des fotografischen Films) bedingt. Man musste bei möglichst kontrastigen, hellen Stimmungen Fotos und Film produzieren. Inzwischen sind wir jedoch nicht mehr an die Tagesmitte gebunden. Kameras sind rauschfreier, können Auflösungen von 4K und 8K problemlos einfangen. Die Dämmerung und auch dramatisches Wetter sind keine Hindernisse mehr für den Fotografen oder die Filmproduktion.
Nun sind es die authentischen Erlebnisse, die eingefangen und vertont werden. Ja, wir dürfen schmutzig werden, ja, es darf regnen, und ja, wir können bei Nacht mit Taschenlampen die Natur erkunden und am Lagerfeuer sitzen. Vor allem aber: Es ist genau das, was wir wollen und was Verlangen in uns weckt. Den Nachmittagsspaziergang bei Kaiserwetter haben wir schon hunderte Male erlebt. Für den Sonnenaufgang auf einem Aussichtspunkt müssen wir uns überwinden und kämpfen, nur um dann umso mehr belohnt zu werden.
Was bedeutet das für die Produktion von Tourismusfilmen und Werbespots?
Wenn wir den aktuellen Look einfangen wollen, verhält sich das ähnlich wie beim „Filmlook“ allgemein:
- organische Aufnahmen durch eine professionelle Filmkamera
- bewusste Wahl von Optiken
- Setdesign, Requisite und Kostüm folgen einem Farbschema
- Kamerabewegungen sind bewusst und kontrolliert
- zu harte Kontraste und Schärfe werden vermieden
- on Location eingefangene Farben werden im Colorgrading mit DaVinci Resolve oder Baselight akzentuiert
- passende Musik, die nicht nach Stock klingt
- Sounddesign, das uns die Natur subtil hören lässt
- allgemein: Filmlook vs. Videolook
Konkret bedeutet das, diese Elemente zu übernehmen und im Outdoor- und Tourismusfilm zu adaptieren. Darsteller*innen werden in Pastelltönen eingekleidet und tragen keine Neonfarben, wenn sie in der Natur sind (außer es ist eine bewusste, sinnvolle Entscheidung). Sie sind Schauspieler und professionelle Modells, die mit ihrer Mimik und Gestik mehr als nur ein „Werbelächeln“ beherrschen. Es werden keine touristischen Klischees verfolgt. Und vor allem: Je nach Jahreszeit und Sonnenstand wird bei möglichst weichem Licht oder flacher Sonne gefilmt. Während der Filmproduktion on Location bedeutet das meist, zwischen 5 und 9 Uhr am Morgen und ab 16/17 Uhr zu drehen.
Nach diesen Grundsätzen haben wir für Füssen, das Lechtal und das Allgäu produziert. Nicht vernachlässigen möchten wir natürlich auch das Storytelling der Werbefilme, welches stets Priorität vor dem Look haben sollte. Hier ist ein zielgruppengerechtes Konzept stets Basis für Lookentwicklung und Film- & Fotoproduktion.
Insgesamt also kaum Mehraufwand, lediglich bewusstere Planung von Sonneneinfallswinkeln, Schattenwurf von Bergen und Berücksichtigung der Wetterverhältnisse mit Apps wie SunSeeker. Vielleicht wird ein Hauch mehr zeitliche Flexibilität und Durchhaltevermögen von Crew und Kunden abverlangt, aber das ist ein Opfer, das jeder, der Film liebt und das bestmögliche Ergebnis erzielen will, gerne bringen wird.
Schließlich sind wir es ja auch, die um 3 Uhr den Bergaufstieg wagen. Nicht weil es angenehm ist, sondern weil die Entlohnung um ein Vielfaches alle Beschwerlichkeiten überwiegt.